Was genau ist der Unterschied zwischen konventionellem und ökologischem Weinbau? Und bedeutet »Öko« gleichzeitig auch immer nachhaltig und umweltfreundlich?
Eigentlich arbeitet jedes uns bekannte handwerkliche Weingut – auch ohne Bio-Zertifizierung – weitestgehend naturnah, umweltfreundlich und nachhaltig. Denn zum einen sind die Weinberge das Kapital der Winzer*innen und zum anderen kann nur aus gesunden Pflanzen auch trinkbarer Wein entstehen. Außerdem möchte man die Weinberge, die vielleicht schon von den Eltern oder Großeltern angelegt wurden, auch für folgende Generationen pflegen und erhalten. Allein deswegen sollte sich eine sorgfältige und umweltschonende Bewirtschaftung eigentlich von selbst verstehen.
»Wir arbeiten aus Liebe an der Natur nachhaltig und nützlingsfördernd. Dazu braucht man eigentlich kein Zertifikat, denn damit geht man auch immer einen Kompromiss ein. Jede Mitgliedschaft zwängt sich an Regeln und ob man diese immer gut findet, ist fraglich. Wir sind offen gegenüber allen Arbeitsweisen, suchen uns das jeweils Nachhaltigste für uns raus und bewegen uns so irgendwo dazwischen. Nur so können wir auch hundertprozentig dahinterstehen.
In unseren Weinbergen in den Steillagen geht es ohne Begrünung gar nicht – das schützt den Boden vor Erosion. Zudem haben wir über die Jahre hinweg einen gewissen Humusanteil aufgebaut, der ein natürlicher Dünger ist. Beim Pflanzenschutz picken wir das raus, was die Pflanze gerade braucht. Dazu hat man im Unterschied zum Bio-Weingut andere Mittel zur Verfügung.
Im Weinkeller ist der Einfluss recht gering. Wir betreiben ausschließlich Handlese; da hat man das Lesegut schon so selektioniert, dass man eigentlich keine Schönungsmittel mehr braucht. Das, was beim ökologischen Weinbau nicht zugelassen ist, braucht man eigentlich auch nicht. Wenn man mit gesunden Trauben und moderner Kellertechnik arbeitet, reicht das völlig aus.«
Max Lambrich / Weingut Albert Lambrich
Der konventionelle Weinbau ist auf Effizienz sowie Ertrags- und Gewinnmaximierung ausgelegt. Dabei kommen im Weinberg, der größtenteils maschinell bearbeitet wird, neben chemischen, oft ungezielt eingesetzten Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Düngern auch Pestizide und Insektizide zum Bekämpfen von Rebkrankheiten und Schädlingen zum Einsatz. Dass sich das negativ auf das Ökosystem im Weinberg auswirken kann, spielt hierbei keine Rolle, wird in Kauf genommen und ist außerdem erlaubt. Auch im Weinkeller wird zur Schönung des Weins auf zahlreiche Mittel und physikalische Behandlungsverfahren zurückgegriffen.
Diese Form des Weinbaus findet man beispielsweise bei industriellen Großkellereien, die auf Massenkompatibilität getrimmte Weine in großen Mengen produzieren. Wenn im Supermarkt oder Discounter Weine für unter 3 Euro im Regal stehen, sollte man das hinterfragen und sich bewusst sein, dass so etwas nicht von einem handwerklich bewirtschafteten Weingut kommen kann.
»Im Weinberg arbeiten wir möglichst umweltschonend, wollen ausschließlich gesundes Lesegut ernten und sortieren deshalb extrem viel von Hand – dann braucht man im Keller keine Schönungsmittel. Die braucht man nur, wenn vorher was nicht perfekt gelaufen ist. Wir lassen unsere Weine nicht erst seitdem es modern ist, ohne den Zusatz von Reinzuchthefen spontan vergären, sondern schon seit meinem Einstieg in den elterlichen Betrieb 1997. Außerdem geben wir bei einigen Weinen außer Bentonit [zur Verhinderung von Eiweißtrübungen im späteren Wein, Anm. d. Red.] und in seltenen Fällen Aktivkohle [zur Entfernung von unerwünschten Geschmacksausprägungen/Fehltönen, z.B. bei Fäulnis, Anm. d. Red.] nichts zu. Unser Ziel ist es, ganz ohne Behandlungsmittel auszukommen und bei unseren Spitzenweinen erfolgt die Abfüllung sogar ohne Filtration. Je weniger, desto besser!
Bio ist eine Ideologie, der man oft hinterherrennt, ohne das Thema wirklich sachgerecht anzugehen. Die Frage ist auch, inwiefern Vorgaben des ökologischen Weinbaus wirklich umweltschonender als der herkömmliche Weinbau sind – zum Beispiel Kupfer als Pflanzenschutzmittel, das öfter als ein konventionelles Mittel aufgetragen werden muss. Hier gilt es meiner Meinung nach, die einzelnen Maßnahmen und deren ökologischen Vor- und Nachteile im Einzelfall zu betrachten und gegeneinander abzuwägen.«
Karl-Hermann Milch / Weingut Milch
Chardonnay »Valentin« trocken Karl-Hermann Milch
Wein darf nur ein Bio-Siegel tragen, wenn er aus ökologisch angebauten Trauben und nach den Regeln der EU-Ökowein-Verordnung erzeugt wurde. Beim ökologischen Weinbau sind zum Pflanzenschutz und zur Düngung ausschließlich organische Mittel zugelassen. Herbizide sowie synthetisch hergestellte Pestizide sind komplett verboten. Ebenso sorgen Bio-Winzer*innen für einen gesunden Boden und begrünen die Rebzeilen mit diversen Pflanzen und Blumen, die nicht nur schön aussehen, sondern auch verschiedene Zwecke erfüllen: Sie locken Insekten an, was der Biodiversität zugutekommt, sie binden Nährstoffe, die beim späteren Umgraben wieder an den Boden zurückgegeben werden können, oder schützen – vor allem im Steilhang – vor Erosion. Auch spielt es eine Rolle, ob und wie oft der Boden maschinell bearbeitet oder befahren wird. Denn durch das Gewicht der Gerätschaften kann es zu unerwünschten Verdichtungen des Erdreiches kommen.
Die EU-Ökowein-Verordnung regelt die Mindestanforderungen des ökologischen Weinbaus – weitere Verbände, wie zum Beispiel ECOVIN, Demeter, Bioland oder Naturland definieren deutlich strengere Kriterien, an die sich die Mitglieder halten müssen. Gleichzeitig ist ein Wein, der nach ökologischen Richtlinien produziert wurde, nicht unbedingt in jeder Hinsicht umweltfreundlich. Denn je nach Anbieter der Zertifizierung sind Themen wie die Nutzung erneuerbarer Energien oder der Wasser- und CO₂-Fußabdruck – nur um zwei Beispiele zu nennen – nicht in den Regelwerken definiert.
»Seit 2020 sind wir Bio-zertifiziert, arbeiten aber eigentlich schon seit 2013 ökologisch und haben von Jahr zu Jahr immer ein bisschen mehr in diese Richtung gemacht. Das Ganze muss ja auch ökonomisch vertretbar sein. Wir stellen unseren eigenen Humus her und unsere Begrünung, die im konventionellen Weinbau gerne mal wie englischer Rasen aussieht, ist bunt gemischt. Sie sorgt für Artenvielfalt und hilft bei der Durchwurzelung der Böden. Wir müssen zwar öfter Pflanzenschutz auftragen als im herkömmlichen Weinbau, können mit unseren Geräten aber zwei Rebzeilen gleichzeitig bearbeiten. Das bricht die Bodenverdichtung wieder auf, weil nur jede zweite Zeile befahren werden muss, während die andere grünt und blüht.
Glas und Verpackung spielt bei der Bio-Zertifizierung zwar keine Rolle, aber auch hier wollen wir in Zukunft dünnere Flaschen einsetzen, um unseren CO₂-Fußabdruck weiter reduzieren zu können. Bio ist aus Marketingsicht definitiv ein Aspekt – aber am Ende soll der Wein ja gekauft und getrunken werden, weil er schmeckt! Mit unserer nachhaltigen Arbeit holen wir dafür das Bestmögliche aus Boden und Rebe heraus.«
Jens Windisch / Weingut Werther Windisch
»Biowein« bedeutet auch, dass sowohl im Weinberg als auch im Weinkeller nach den Anforderungen der jeweiligen Ökowein-Verordnung gearbeitet wird. So dürfen beim Ausbau des Weines keine genmanipulierten Hilfsmittel, wie zum Beispiel Hefen, verwendet werden. Bio-Reinzuchthefen zur Steigerung der Qualität sind jedoch erlaubt. Viele Bio-Weingüter lassen ihre Weine ohnehin spontan vergären – die Gärung findet also ohne die Zugabe von Reinzuchthefen und nur mit den auf den Traubenhäuten oder im Keller vorkommenden natürlichen Hefen statt. Ebenso wird der Einsatz von Schönungsmitteln wie zum Beispiel Zucker/Saccharose (zur Steigerung des Alkoholgehaltes) oder Kalinat (zur Entsäuerung des Weins) auf ein Minimum reduziert.
Eine weitere Form ist der integrierte Weinbau, der durch eine naturnahe und umweltschonende Bewirtschaftung die Vorstufe zum ökologischen Weinbau darstellt. Hierbei wird der Pflanzenschutz gewissermaßen in das Ökosystem des Weinbergs integriert: Gezielte und durchdachte Maßnahmen sollen Krankheits- und/oder Schädlingsbefall der Rebe vorbeugen beziehungsweise ihn unterhalb der Schadensschwelle halten. Da der Pflanzenschutz nur dort eingesetzt wird, wo er auch wirklich gebraucht wird, ist diese Vorgehensweise nicht nur unter ökologischen oder toxikologischen, sondern auch unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll. Genau wie beim Bio-Weinbau verzichtet man im Weinberg auf chemische Pflanzenschutzmittel und bevorzugt eine Mischung aus sachgerechter Bodenbearbeitung, ausgewogener (organischer) Düngung und Biodiversität sowie der Ansiedlung von Nützlingen.
»Wir gehen nachhaltig mit der Natur um und übernehmen die Vorgaben aus dem ökologischen Weinbau, mit denen wir uns identifizieren können. Das nennt man integrierten Weinbau. Weil wir den Pflanzenschutz ganzheitlich sehen, haben wir bereits die Hälfte unserer Weinberge umgestellt und verzichten dort komplett auf Insektizide und Herbizide. Mit manchen Sachen, die bei »Bio« erlaubt sind, können wir uns jedoch nicht anfreunden. So darf zum Beispiel beim Pflanzenschutz auch Kupfer eingesetzt werden – ein Schwermetall, das sich im Boden anreichert. Erlaubt sind auch Geräte wie Fadenmäher mit Plastikfäden, wodurch sich übers Jahr verteilt nicht gerade wenig Mikroplastik im Weinberg verteilt. Beides ist natürlich auch im konventionellen oder integrierten Weinbau erlaubt – wir nutzen es jedoch nicht.
Im Keller brauchen wir mit Ausnahme von Reinzuchthefen und einem geringen Anteil an Schwefel keine Zusatzstoffe. Schönungsmittel muss man nur dann einsetzen, wenn man vorher was falsch gemacht hat.
Die Glasflasche macht etwa ⅓ des CO₂-Fußabdrucks aus. Daher nehmen wir leere zurück und verwenden sie wieder. So sparen wir circa ein Viertel Neuflaschen ein. Das hat nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen wirtschaftlichen Aspekt, denn das Sortieren und Spülen ist günstiger als die Neuanschaffung.«
Konstantin Gänz / Wein- und Sektgut Dr. Gänz